Arroganz und Machtmissbrauch

Gastkommentar in der bz vom 4.3.2016, ungekürzte Version

Seit Jahren wird an der koordinierten Entwicklungsplanung ELBA gearbeitet, die das Unterbaselbiet verkehrstechnisch vorwärtsbringen soll. Am Ende blieben zwei Varianten: ELBA-Ausbau für 1.8 Milliarden Franken und ELBA-Umbau für knapp die Hälfte des Geldes. Beide Varianten seien gleichwertig, hiess es von der Regierung. Die rechte Ratsmehrheit entschied sich für die teurere Variante. Dagegen ergriff die SP das Referendum. Es war und ist für uns unverständlich, weshalb ein finanziell angeschlagener Kanton auf der einen Seite beim ÖV, der Bildung und beim Personal abbauen will, sich aber auf der anderen Seite die teurere ELBA-Variante Ausbau mit Umfahrungen und Tunnels gönnt.

Abstimmung als bindend angekündigt

Bereits im Sommer hatte die JUSO Regierungsrat Lauber in einem offenen Brief dazu aufgefordert, zugunsten der Finanzen die günstigere Variante Umbau umzusetzen. Lauber verwies dann auf die kommende Abstimmung und anerkannte, dass es beim Volksentscheid auch um die Gegenüberstellung von Ausbau und Umbau geht. Ausserdem schrieb er, dass dieser Abstimmungsentscheid für den Regierungsrat bindend sein werde. Die Regierung hatte damals einfach nicht mit dem Abstimmungsresultat gerechnet.


Deutliche Klatsche für die Regierung

Am Tag der Abstimmung im November gab Baudirektorin Sabine Pegoraro die faire Verliererin, schüttelte uns zur Gratulation die Hand. Das SP-Referendum war erfolgreich, die 61% Nein-Stimmen zum ELBA-Ausbau historisch: Noch nie wurde im Baselbiet eine bedeutende Vorlage mit Schwerpunkt Strassenbau so klar abgelehnt! Es war logisch: Nun wird die von der SP immer favorisierte, preiswertere Variante ELBA-Umbau diskutiert. Das Referendumskomitee hatte immer so argumentiert, auch im Abstimmungsbüchlein.

Doch von Willen zum Kompromiss, Einsicht oder auch nur Respekt vor einem Volksentscheid war in den letzten Wochen keine Spur. Man halte im Grundsatz am ELBA-Ausbau fest, liess die Regierung verkünden. Statt koordiniert geplant, sollen die Projekte nun einfach einzeln in Salamitaktik durchgeboxt werden. Die Juristin Pegoraro will die erhaltene 61%-Klatsche zu einer Randnotiz machen. Was sich aktuell im Baselbiet abspielt, ist eine demokratiepolitische Katastrophe. Die Regierung politisiert am Volk vorbei. Für die Rechtskonservativen scheint Demokratie zu bedeuten, dass wir als Bevölkerung zwar abstimmen dürfen, der Volksentscheid aber die eigene Politik nicht beeinflussen soll. Das ist purer Machtmissbrauch.


Juristisches Versteckspiel

Die vielen Jahre Arbeit an ELBA sollen nun also ins Altpapier wandern? Die Regierung versteckt sich hinter dem juristischen Vorwand, dass das Referendum nur gegen die Umsetzung des Variantenentscheides aber nicht gegen den eigentlichen Variantenentscheid selbst ergriffen werden konnte. Das stimmt. Das Referendumskomitee argumentierte aber während des ganzen Abstimmungskampfs immer mit der zahlbareren Variante Umbau, welche die Verkehrsprobleme ebenso löst. Fakt ist: Die Bevölkerung hat zu allen Teilen von ELBA-Ausbau, welche ihr vorgelegt wurden, deutlich Nein gesagt. Das ist ein deutlicher  Fingerzeig.


Einfach weiterwursteln?

Regierung und Parlament dürfen sich über einen so deutlichen Volksentscheid nicht hinwegsetzen. Es muss möglich sein, nochmals darüber zu diskutieren. Das ist Demokratie. Nach der Abstimmung hat die SP-Fraktion einen Vorstoss eingereicht, der dies ermöglicht hätte. Die rechte Landratsmehrheit stützte aber seinen Regierungsrat und lehnte eine erneute Diskussion über die beiden Varianten ab. Stattdessen wird aber weitergemacht wie bisher – oder fast: Statt einer überteuerten, aber koordinierten Variante ELBA-Ausbau wird die überteuerte Variante ELBA-Ausbau nun halt einfach in Salamitaktik gebaut – als ob das Projekt in Häppchen billiger würde. Wir hätten dieses Chaos in der Regierungsarbeit mit dem Vorstoss gerne verhindert.

Von Seiten der FDP und der SVP wird nun uns die Schuld zugeschoben. Egal ob die SP zwei Regierungsräte oder keinen hat, Schuld sind ja immer die Linken. Da kann ich auch als Baselbieter ohne schlechtes Gewissen zu einem Basler Sprichwort greifen: Verzell du das em Fährimaa. Das Chaos ist nicht der Fehler der vom Volk unterstützten Opposition. Verantwortlich sind die rechtskonservative Mehrheit im Landrat und die vom Volk gebodigte Regierung, welche aus Volksentscheiden keine Konsequenzen ziehen.

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