Dene wos guet geit, giengs besser…

Gastkommentar in der bz vom 9. Juli 2018

SVP-Landrat Peter Riebli hat mit seiner Motion für eine Kürzung der Sozialhilfe um 30% und der Einführung einer „Motivationszulage“ für viel Irritation von links bis weit in die bürgerlichen Reihen gesorgt. Nicht nur weil er auf Kosten der wirtschaftlich Schwächsten die Gemeindebeiträge zusammenkürzen will. Nein, er stellt auch alle Menschen unter Generalverdacht, die Sozialhilfe beziehen müssen: Erst wer seine Motivation bis ins Detail beweist, dem wird Schritt für Schritt der Grundbedarf weniger gekürzt. Dies entspricht einer Umkehrung der aktuellen Handhabe: Die Sozialhilfebehörden können den Grundbedarf bei nicht kooperationswilligen Personen senken und so eine Verhaltensänderung erzielen. Diese rechtlichen Mittel bestehen bereits und werden auch angewandt.

Diesem SVP-Vorstoss liegt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den wirtschaftlich Schwächsten zugrunde. Nur wer beweist, dass er sich stark engagiert, dem soll eine soziale Teilhabe ermöglicht werden. Es erinnert einen an die Verteilung von Almosen, denn eine gerechte Beurteilung der Motivation ist kaum möglich. Willkür könnte die Folge sein. Völlig vergessen gehen dabei auch all die Personen, die ihre Motivation nicht beweisen können, weil sie z.B. krank sind, ein Suchtproblem oder einen Schicksalsschlag erlitten haben.

Peter Riebli stützt sich auf eine Studie der Universität der Universität Luzern, die sage, dass mit einer Senkung der Sozialhilfe die Eingliederung in den Arbeitsmarkt verbessert würde. Doch so einfach können die Resultate der Studie nicht übernommen werden. Denn sie geht von einem idealen Markt aus, also dass für jeden Arbeitssuchenden eine passende Arbeitsstelle vorhanden ist. Das ist Wunschdenken und sicher keine Realität. Die starke Zunahme der Arbeitslosigkeit bei den über 50jährigen ist nur ein Beispiel dafür, dass wir weit vom idealen Markt entfernt sind. Darum können die Erkenntnisse aus der Studie nicht telquel in die reale Welt übertragen werden.

Im Gastbeitrag wird die Höhe der Sozialhilfe mit jener der AHV-Rente verglichen. Dabei ist allen klar, dass heutzutage niemand mehr von der AHV alleine leben kann. Es gibt darum den bundesrechtlichen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL). Der EL-Grundbedarf beträgt monatlich 1600 Franken, das sind über 60% mehr, als der heutige Grundbedarf in der Sozialhilfe. Im Vergleich mit den aktuell gültigen Ansätzen in der Sozialhilfe sind also die RentnerInnen nicht benachteiligt – im Gegenteil.

Das gegeneinander Ausspielen von verschiedenen Gruppen in knappen finanziellen Verhältnissen bringt uns als Gesellschaft nicht weiter. Es braucht Massnahmen, damit die Personen, die knapp über der Sozialhilfeschwelle leben, nicht schlechter gestellt sind, als SozialhilfebezügerInnen.

Es braucht darum eine Erhöhung der Prämienverbilligung, damit diese Schwelleneffekte reduziert werden. Es braucht auch einen verstärkten Kampf für Mindestlöhne, gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und für familienfreundliche Anstellungsbedingungen. Auch die Einführung einer EL für Familien muss geprüft werden, um zu verhindern, dass Kinder in unserer Gesellschaft ein Armutsrisiko darstellen.

Nur mit einem Bündel von Massnahmen kann das Ziel einer raschen Arbeitsintegration und der gleichzeitigen Sicherung eines letzten Netzes, das ein Leben mit sozialer Teilhabe ermöglicht, erreicht werden. Der Vorstoss von Peter Riebli aber gehört nicht in dieses Bündel. Er teilt die Gesellschaft.

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